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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut KölnMax-Bruch-ArchivSignatur: Br. Korr. 154, 437

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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv

Signatur: Br. Korr. 154, 437


Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser],Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]

Bonn, 18.09.1874. - 8 Seiten, Deutsch. - Brief

Inhaltsangabe: Transkription: Lieber Freund Die ganze Sache reducirt sich also wirklich und in der That auf ein grandioses Mißverständniß; wie gut, daß daß wir un ausgesprochen haben. Deine Postkarte ist leider nicht mehr vorhanden, da ich solche Karten nicht aufhebe (Briefe wohl); sie könnte am besten beweisen, was Du geschrieben hast und was nicht. Du sagst selbst, Du hättest „halb und halb“ vorgehabt zu kommen, - nun Du kannst sicher sein, daß deßhalb auch die verhängnisvolle Karte so sehr halb und halb und aphoristisch ausgefallen ist, daß mir Deine eigentliche Absicht in der That umhüllt bleiben mußte. Aus den wenigen flüchtigen Worten Deiner Karte (Ihr Berliner habt ja nie Zeit, einem einmal einen ordentlichen Brief zu schreiben!!) habe ich in der That nur entnommen, daß ich Dir referiren sollte, und ich erinnere mich noch, daß ich mir das schon vor Eintreffen Deiner Karte fest vorgenommen hatte. Von Barmen aber, vom Fortgang der Proben, von der Reihenfolge der Nummern etc. wußte ich nichts, weil erst 3 Tage vor dem Concert dahin reiste. Mir ist überhaupt – um Alles zu sagen - der Gedanke gar nicht gekommen, daß Du wegen dieses doch nicht großen Stückes, zu dessen erster Auff. Du ja im vorigen Jahr nach Aachen gereist warst, jetzt wieder eine so weite Reise unternehmen würdest; hätte es sich dagegen um ein großes Werk gehandelt, um eines, welchen den halben, oder gar den ganzen Abend füllte, so wäre mir Deine Anwesenheit selbstverständlich erschienen. Nun, schöne Folgerungen hast Du aus meiner Karte gezogen, - was Du mir, nach einer fast zehnjährigen vertrauten Freundschaft zugetraut hast, ist nichts anders als schwarze Perfidie; Du hast damals die wirklich haarsträubende Combination erfunden: ich habe Dein Kommen hintertrieben, weil ich gefürchtet hätte, Dein Componisten Eifer werde mir zu viel Zeit für meine Stücke wegnehmen. Anlaß gegeben habe ich Dir nie, zu keiner Zeit, so lange wir uns kennen, mich einer solchen Denkungsart für fähig zu halten; und ich muß mich wahrlich hüten, diesem Gedanken nachzuhängen, ich möchte sonst zu sehr wieder in’s moll hineingerathen. Warum hast Du mich nicht gleich damals interpellirt, ausführlich? Alles würde sich schon damals geklärt haben. Statt dessen hast Du mir lange gegrollt, und nur durch Zufall habe ich von der ganzen Sache erfahren und sie zur Sprache gebracht. Den kränkenden und tief verletzenden Zweifel an meiner Ehrlichkeit kann ich wohl verzeihen, - und ich thue es – aber begreifen kann ich ihn nicht. – Abgemacht – gieb mir die Hand, mein Lieber, und es sei wieder zwischen uns wie früher. Nur noch eines! Ich kann unmöglich in dieser Sache an M. Almenräder schreiben, und eine Erklärung abgeben wie an einem competenten Gerichtshof; ich kann und werde es um so weniger, da sie diejenige ist, die immer wieder von Neuem, allem mir nachtheiligen Klatsch (z.B. Einzelheiten des Düsseldorfer Koncerts) und Lügen aufgreift, glaubt und verbreitet. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß sie alle was Du im Frühjahr im Unmuth über mich gegen sie geäußert hast, nicht für sich behalten hat. Dein ganzer früherer Kreis in Cöln wird um Deine damalige Beschwerde wissen, und sich nicht besinnen, mir auch das noch aufzuladen, und mich für einen abscheulichen Verräther an der Freundschaft zu halten. Du hast mich angeklagt, und deßhalb kannst Du mir die Satisfaction nicht verweigern, mich auch an derselben Stelle zu entlasten. Wäre es auch nur mit wenigen Worten, aber wissen muß die M.A. und Alle, daß Du Dich von der völligen Grundlosigkeit Deiner Anklage überzeugt hast, und sie ausdrücklich zurücknimmst, aus eigener Bewegung. Bitte, thue das noch und schreib mir, daß es geschehen ist, dann ist es gut!. – Ich habe nichts Neues gemacht. Stoffe wie Odyss. liegen nicht auf der Heerstraße, und so wähle, prüfe, betrachte und forsche ich fortwährend, ohne mich für Neues, Größeres zu entscheiden. Auch hat sehr oft die nöthige innere Ruhe gefehlt, da Lebens- und Liebesfragen in diesen Jahren immer mehr zu schaffen machen, als Kunstfragen. Indem ich dies hinschreibe, merke ich auf‘s Neue, wie lange wir uns nicht gesehen haben. Vielleicht wieder einmal in Berlin – wer weiß? Mich sollte es wahrhaftig von Herzen freuen !!In Düsseldorf kreisten die Berge, man kann aber noch nicht einmal sagen, daß eine lächerliche Maus geboren wurde. Die Vereine wollen zwar ein paar mal im Winter zusammenwirken, aber Tausch bleibt und somit bleibt trotz der öffentl. Meinung, alles beim Alten. Meine Lage war, nachdem meine beiden großen Aufführungen 1873 und 74 thatsächlich den Anstoß zu einer Reformbewegung gegeben hatten, eine sehr schwierige; ohne eine solche Stellung zu wünschen wurde ich factisch von der großen Mehrheit der Düsseldorfer Musikwelt, welche nicht länger den wirklich unbeschreiblich verkommenen Zustand der Düss. Musik mit ansehen wollte, als der einzig mögliche und erwünschte Nachfolger von Tausch hingestellt, der aber noch im Amt war, und demnach vorher zu beseitigen war!! Der Oberbürgermeister beabsichtigte im Frühjahr, den Zuschuß zurückzuziehen, aus dem der Allg. Musikverein Tausch besoldet hatte, und die Stelle Mendelssohn’s etc., die städtische Stelle, welche Tausch nie gehabt hatte, neu auszuschreiben. Gleichzeitig beabsichtigte der Staat (und die Absicht besteht, so viel ich weiß, auch jetzt noch) im Anschluß an die Akademie eine Musikschule im kleinen Styl zu gründen. Die Masse hatte sich dieser Ideen bemächtigt, u. es war im Mai so weit gekommen, daß Dr. Herz, der Präs: des Allg. Musikvereins, mir einmal gesprächsweise sagen konnte: „u. wenn Frau Tausch mit ihren Kindern einen Kniefall vor mir thut – ich kann ihn nicht mehr retten, er hat unsere Musik zu sehr verkommen lassen.“ Der Mann hat aber Frau u. Kinde, er ist nicht schlimm, er hätte sich vis à vis de rien gesehen, auch keine andere Stelle mehr bekommen – und außerdem wollte ich nicht das odium auf mich laden, einen Collegen verdrängt zu haben. Ich habe deßhalb nach reiflicher Ueberlegung mich 1873 und auch 74 auf einen wie ich glaube, ganz correcten Standpunct gestellt, und denselben consequent festgehalten. Ich habe immer gesagt: „eine vorläufige Zusage, um eher eine Agitation für mich zu ermuntern, kann und werde ich nicht geben. So lange ein College im Amt ist, werde ich nie auch nur das Geringste gegeniohn thun. Das Erste ist, ob man sich in Düss. selbst darüber klar werde, ob man H. T. beibehalten will oder nicht. Meine Person aber hat mit diesen Erwägungen gar nichts zu thun, die rein sachlicher Natur sind und ein sollen. Die Personenfrage kommt dann auch in zweiter Reihe.“ – Hierbei bin ich unverrückt stehen geblieben, habe das und nur das, immer wieder mündlich erklärt, wenn ich von allen Seiten gedrängt wurde, - habe mich aber wohl gehütet, irgend etwas Schriftliches von mir zu geben, woraus Freund oder Feind Capital schlagen könnten. Ich war Tausch’s einziger und bester Freund in dieser Sache, habe mich durchaus loyal gegen ihn benommen – muß aber nun erleben, daß völlig lügenhafte Berichte in die Oeffentlichkeit dringen( s.z.B. die Casseler Musikztg., 14. Aug). Ich werde eine Entgegnung veranlassen, welche bloß durch die Anführung der Thatsachen, den Einsender so vollständig zermalmen wird, daß er sich nicht mehr in den Straßen von Ddrf. Kann sehen lassen. – Von Dir mein lieber Frd, weiß ich fast nichts! Schreib mir nur bald über Menschliches und Künstlerisches, und ob Du Dich noch manchmal empfehlest etc. Und sei kein Thor, und heirathe endlich, so lange es noch Zeit ist, - Du kannst es ja, jeden tag, Das wäre denn doch ein ganz anderes Leben! - Sei mit Deiner l. Mutter herzlich gegrüßt von Deinem alten Max Bruch. Math. grüßt auch!

Mendelssohn Bartholdy, Felix (1809-1847) [Erwähnt],Almenräder, Mina [Erwähnt],Tausch, Julius (1827-1895) [vermutlich] [Erwähnt]

Bemerkung: Max Bruch

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz

DE-611-HS-4308884, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4308884

Erfassung: 12. Dezember 2025 ; Modifikation: 12. Dezember 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-12-12T12:24:05+01:00