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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut KölnMax-Bruch-ArchivSignatur: Br. Korr. 154, 436

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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv

Signatur: Br. Korr. 154, 436


Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser],Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]

Bonn, 12.09.1874. - 8 Seiten, Deutsch. - Brief

Inhaltsangabe: Ausführliche Antwort nach langer Kontaktpause mit ER und dessen Vorwürfen „unfreundschaftlichen Verhaltens“ im Zuge des Barmer Konzerts am 07.02.1874 mit dem „Aufzug der Romanze“ - ER war nicht eingeladen, die Kritiken schlecht. Transkription: Lieber Freund, Es fiel mir schon lange auf, daß ich gar nichts mehr von Dir hörte. Das Räthsel hat sich mir jetzt, bei meiner Rückkehr aus der Schweiz, auf eine aber so überraschende als unerfreuliche Weise gelöst, durch Mittheilungen von Emil Kamphausen an meine Schwester. Danach hättest Du Dich schon beim Musikfest in Cöln, bei Erwähnung der Aufführung Deines „Aufzugs d. R.“ in Barmen über – mich beschwert, und u.A. geäußert, ich hätte mich damals „nicht freundschaftlich“ gegen Dich benommen. Gleichzeitig kommt mir zu Ohren, daß meine Cousine Mina Almenräder, die von jeher mit besonderem Vergnügen meiner Schwester und mir etwas anhängen möchte, wo es mir irgend anging, - daß diese besagte klatschhaft alte Jungfer schon vor längerer Zeit in Cöln geäußert hat: „Rudorff wird, wenn er nach Bonn geht, Bruch’s gar nicht besuchen.“ Ich glaube nicht, ich will’s nicht glauben, daß Du etwas Aehnliches (welches ja entsetzliche Verbrechen unsererseits voraussetzen würde!) gegen die M.A: geäußert hast, / auch hast Du sie ja thatsächlich Lügen gestraft, in dem Du im Mai Math. hier besuchtest. / - aber , es unterliegt keinem Zweifel, daß Du Dich auch bie ihr über mich beschwert hast. Dem gegenüber muß ich heute direct fragen: was habe ich Dir gethan, wessen beschuldigst Du mich? Sage mir klar klar und deutlich, mit welchen Einbildungen Du Dich ein halbes Jahr herumgeschlagen hast – ich werde Dir dann eben so klar beweisen, daß ein dicker Nebel über Deine sonst so klaren Augen gelagert und Dich verhindert hat, die Dinge zu sehen, wie sie waren. Mir ist es wie unbegreiflich, wie man Beschuldigungen aus der Luft greifen kann, ohne den thatsächlichen Anlaß; wie Du plötzlich dazu kommen magst, mich (der ich Dir, wie ich glaube, genug thatsächliche Beweise von meinem Interesse an Deinen Productionen gegeben habe), mit mißtrauischen Blicken anzusehen, und mich dafür verantwortlich zu machen, was die Barmer Concertdirection in einer Sache, die sie allein angeht, beschließt oder nicht beschließt; - denn darum scheint es sich schließlich zu handeln. Vorwürfe richte also an die Adresse der dortigen Direction, nicht an die meinige. Wie gesagt, klar ist mir die Sache durchaus nicht, da ich mit Emil K. noch nicht darüber gesprochen habe, - es scheint aber, daß Du, verstimmt über das Factum der Nicht-Einladung, in gereizter Stimmung, allerlei seltsames Zeug combinirt hast, und schließlich daraus einen Strick gedreht um mich daran aufzuhängen. Nun, ich hoffe, Du schneidest noch wieder los, und wir leben noch ein Weilchen in Frieden und Freundschaft, wie bisher. Ich will nur noch Folgendes bemerken: ob eine Concert-Direction einen Componisten noch ganz besonders ehren will durch die Einladung, sein Werk persönlich zu dirigiren, ist eine innere Angelegenheit, die keinen außerhalb Stehenden etwas angeht, und im Schooß des Comités durch collegialischen Beschluiß erledigt werden muß. Für die Einladung oder Nicht-Einladung könenen nun die verschiedensten Gründe maßgebend sein, z.B: 1) ob das betreffende Werk sich schon in den Vorproben entschiedene Sympathien verschafft hat oder nicht; 2) ob die Direction dem Autor mit Bestimmtheit freundliche Eindrücke in Aussicht stellen kann, oder nicht; 3) ob es so vortrefflich geht, daß man die Kritik des Autors nicht scheut, 4) ob Geld genug da ist, um dem Autor, insofern er eine weitere Reise zu machen hat, eine angemessene Entschädigung bieten zu können; etc., etc. Du weißt das alles gerade so gut wie ich, aber ich wollte doch die allgemeinen Gesichtspuncte noch einmal erwähnen, die in solchem Falle zur Sprache kommen können. Ausdrücklich hinzusetzen muß ich aber, daß zwischen mir und der Direction von alledem gar nicht die Rede gewesen ist. Ich kam erst 3 Tage vor der Aufführung der neuen Sachen nach Barmen, war unmittelbar vorher 14 Tage lang durch die Cölner Odysseus Aufführung ganz absorbirt worden, und wußte daher absolut nichts davon, ob die Direction Dich eingeladen hatte oder nicht. Im Uebrigen war dies eine Barmer Angelegenheit, und nicht die meinige. Aus einer Postkarte, welche Du mir damals schriebst, (mit dem Ersuchen, Dir über die Aufführung zu referiren), glaubte ich entnehmen zu müssen, daß Du in Berlin dienstlich gefesselt seiest. Hättest Du aber mir, als einer Vertrauens-Person, damals, frühzeitig den Wunsch zu erkennen gegeben, daß man Dich einlade, so würde ich schließlich sofort vertraulich an meinen Freund kamphausen geschrieben und ihm die Sache an’s Herz gelegt haben, wie aus eigener Bewegung, dieselbe im Comité zur Sprache bringen könne. Aus Deiner Karte habe ich aber gerade das Gegentheil entnommen. – Thatsächlich muß ich heute noch hinzusetzen, daß Emil K. aus eigener Bewegung, von Krause unterstützt, das Stück im Comité vorgeschlagen hat, aus Achtung vor Deinem Namen, Deinem Wirken, Deiner Künstlerschaft; und ferner, daß wir Beide K. und ich, vor und nach der Auff. vielfach Gelegenheit gehabt haben, eine Lanze für das Stück zu brechen, und auf die Vorzüge desselben hinzuweisen. Deßhalb gebühren mir am allerwenigsten Vorwürfe Deinerseits! – Ich habe mehr geschrieben, als ich wollte, bereue es aber nicht, da man einem Freunde gegenüber, auch wenn er ungerecht urtheilt, nicht ausführlich genug sein kann. Ich muß aber darauf bestehen, daß Du der Mina A. gegenüber ausdrücklich zurücknimmst, was Du bei ihr über resp. gegen mich gesagt hast. - Leb wohl für heute. Nächstens einmal mehr und Erfreulicheres. Herzl. Gruß von Deinem Max Bruch.

Kamphausen, Emil [Erwähnt],Almenräder, Mina [Erwähnt],Krause, Anton (1834-1907) [vermutlich] [Erwähnt]

Bemerkung: Max BruchBezug zu Ferdinand Hillers Nala und Damayanti, Op.150

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz

DE-611-HS-4308882, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4308882

Erfassung: 12. Dezember 2025 ; Modifikation: 12. Dezember 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-12-12T12:18:41+01:00