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Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln Max-Bruch-Archiv Signatur: Br. Korr. 154, 405
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Brief von Max Bruch an Ernst Rudorff Musikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv
Signatur: Br. Korr. 154, 405
Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser], Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]
Herzberg, 13.10.1870. - 8 Seiten, Deutsch. - Brief
Inhaltsangabe: Ausführlich über seine Schwester Mathilde – Sondershausen: Kein Theater im Winter, dadurch Entscheidung über Kapellmeister erst 1871, ER Probleme mit Mühler Transkription: Lieber, Dein recomm. Bf. Hat mich doch gefunden, - denn ich bin noch hier, und bleibe auch, obgleich nach der Abreise meiner Schwester die Einsamkeit keine schöne sondern eine trübselige ist, noch hier; vielleicht stellt sich die Stimmung ein, und ich fördere Hermione noch ein wenig. Hier ist ein großes Werk unter größten Hindernissen zu Stande gekommen: der Krieg, der Tod meines Freundes Zanders, der Abfall von S., die Aufgabe meiner Stellung, die damit verbunden meist deprimierenden Eindrücke, - der Mangel eines Wohnortes, - das fortwährend unerfreuliche Schwanken zwischen der moralischen Verpflichtung, irgend etwas Patriotisches loszulassen, (obwohl die Nation sich von den Productionen des Herrn Carl Wilhelm völlig befriedigt fühlt) und die innere Nöthigung, Hermione zu vollenden – all das würde gerad hinreichen, Arbeitswuth und Schaffensfreudigkeit für einige Zeit zu benehmen; dazu kommt aber nun noch der permanente angegriffene Zustand meiner Schwester, häufiges starkes Herzklopfen, völlige Erschöpfung, - alles Symptome, daß das alte Uebel, Blutarmuth und vernachlässigte Bleichsucht, nicht enthoben ist. Sie kann nicht das Mindeste aushalten; gestern, als wir reist, stellt sich nach einem Gang von 20 Minuten gleich wieder das unglückselige Herzklopfen ein, verbunden mit einer kaum zu schildernden Beängstigung, die sich dann im Äußeren in fast erschreckender Weise nervlich zeigt. Diese Zustände halten freilich in der Regel nicht lange an, aber es folgt immer eine große Ermattung. Ich hätte sie nicht reisen lassen, aber die Nothwendigkeit, sogleich in den Bereich guter Aerzte zu kommen, und ferner, die bevorstehende Uebersiedlung aus der früheren Wohnung in die neue wenigstens zu überwachen, ließen es doch gerathen erscheinen, nicht länger fort zu bleiben. Ich will nicht glauben, daß diese Zustände eigentlich bedenklich seien; aber grosse Vorsicht, unter Leitung eines erfahrenen Frauenarztes, ist geboten. – Das Stundengeben in Cöln muß auch bald aufhören, denn dabei kann sie nicht ganz gesund werden. Wir waren beinahe 3 Monate zusammen gewesen, und hatten uns – wieder einmal – so sehr in einander eingelebt, daß ich jetzt, wo mir ihre stets fördernde, liebevolle Nähe fehlt, zu nichts Lust habe und nur umhertaste, ohne mit Freudigkeit etwas Bestimmtes ergreifen und es mit Kraft durchführen zu können. Ich hoffe noch heute zu erfahren, ob sie wohlbehalten in Cöln angekommen ist. Bis Kreiensee habe ich sie gestern begleitet. Ihren Bf. Wirst Du erhalten haben; ich bat sie, zu schreiben, weil ich den Tag arbeiten wollte. Was die leitenden Männer in S. eigentlich beabsichtigen, wußte Princeß El. mir Sonnabend nicht zu sagen. In der Stadt wurde bereits überall Dein Name genannt; trotzdem glaube ich einstweilen, daß Kayser und Wolffersdorff suchen werden, die Entscheidung hinzuziehen bis zum Frühjahr; - sie brauchen nämlich zum 1. Januar die Nachfolge noch nicht anzustellen, da diesen Winter kein Theater sein wird, und Herr von Wolff. auf diese Weise wieder einen Haufen Geld spart! – Ob also Deine Nahmung [sic] an das Hofmarschallamt Erfolg haben wird), scheint mir persönlich zweifelhaft; vielleicht beurtheile ich aber die Verhältnisse aus der Ferne falsch. Wie sehr wünschte ich, daß Du von Mühlers los kämest!. Das Gerücht, Du seihst sogar Mühlers Schwiegersohn (per Dampf verheirathet!) war schon nach S. gedrungen. Was die klatschsüchtigen Berliner Zeitungen an Albernheit leisten, grenzt doch an’s Unglaubliche! Ich habe natürlich abermals, aus aller Kraft dementirt. Noch eins: Wenn die Ballade noch nicht im Stich ist, könntest Du sie auf einige Tage hierherschicken? Es würde mich in hohem Grad interessiren, den I. Satz in der jetzigen, endgültigen Instrumentirung zu sehen, und mir überhaupt durch die Anschauung der Ballade Dein künstlerisches Wesen wieder völlig zu vergegenwärtigen. Nach allem Hin und Hergeschreibe der letzten Zeit muß man mit neuen Sachen zhum künstlerischen, als zur Hauptsache, zurückkehren. Auch giebt es gar nichts Schöneres und Erfreulicheres, als die Wahrnehmung, wie ein Kunstwerk sich mehr und mehr zu völlig klarer Wirkung entwickelt; so macht es mir ein ungemeines Vergnügen, daß alle Sätze der Ballade, und nun auch der I., so sehr gewonnen haben und in jeder Hinsicht deutlicher wirken müssen. Ich erlebte noch tüchtig in Hermione Aehnliches mit den Gesängen der Hermione im Finale des II. Aktes und mit dem ersten Gesang des Leontes zu Anfang des 4. Aktes; es gelang erst nach wiederholtem Aendern das Richtige zu finden. – Simrock, dem ich in Gedanken schon die Oper bestimmt hatte, ersucht mich, sie ihm zu reserviren. Freut mich sehr. Du hast ihm Gutes davon gesagt - Dank Dir! - Ich sehe es überhaupt sehr gern, daß meine Verbindung mit Sim. sich befestigt; er verdient alles Lobende, was Du mir schon früher von ihm sagtest, als ich noch die Idee hatte, der Sohn wird nicht anders sein als der Vater. – [Also der trockene Esel von Scholz hat dem muntern ... seine ... durch blühende Talentlosigkeit ... gehemmt?! Es ließe sich denken!] – Vielen Dank auch für Deine Anfrage an Radekce. Ich will heute an Eckert eine vorläufige Anfrage richten. Brfe bis auf Weiteres hierher, Peimann. – Alles Gute wünschend, stets Dein herzlich ergebener Max Bruch. Wie geht es dem Vater?Bruch, Mathilde [Erwähnt], Zanders, Richard (1826-1870) [Erwähnt], Radecke, Robert (1830-1911) [Erwähnt], Eckert, Karl Anton Florian (1820-1879) [Erwähnt], Elisabeth, Schwarzburg-Sondershausen, Prinzessin (1829-1893) [Erwähnt], Simrock, Fritz (1837-1901) [vermutlich] [Erwähnt], Wilhelm, Carl (1815-1873) [Erwähnt], Mühler, Heinrich von (1813-1874) [Erwähnt], Mühler, Adelheid von [Erwähnt]
Loh-Orchester Sondershausen (1801-1991) [Behandelt]
Bemerkung: Max Bruch
Objekteigenschaften: HandschriftPfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz
DE-611-HS-4308639, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4308639
Erfassung: 11. Dezember 2025 ; Modifikation: 11. Dezember 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-12-11T15:29:15+01:00
