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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut KölnMax-Bruch-ArchivSignatur: Br. Korr. 154, 301

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Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv

Signatur: Br. Korr. 154, 301


Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser],Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]

Breslau, 19.10.1887. - 9 Seiten, Deutsch. - Brief

Inhaltsangabe: ER hat MB Werke von sich geschickt. MB freut sich, nach längerer Unterbrechung nur mehr sporadischem Kontakt nun wieder die freundschaftliche Beziehung mit ER weiterführen zu können: „Zu den Nachtheilen eines rasch fortschreitenden, stark beengten und wechselvollen Lebens, wie ich es geführt habe, bevor ich mich in Breslau für lange – vielleicht für immer! – fixierte, gehört es zweifellos, daß man dem Zusammenhang mit alten und sehr werthen Freunden und ihrem Schaffen nicht so aufrecht halten kann, wie man möchte und wie man sollte. Namentlich mein längerer Aufenthalt im Ausland mag in dieser Hinsicht verschiedene Unterlassungssünden verschuldet haben. Umso dankenswerther ist Deine heutige Anregung; sei also überzeugt, daß ich Deiner sehr erfreulichen und willkommenen Sendung meine volle freundschaftliche Aufmerksamkeit zuwenden werde. Uebrigens hatte ich mir schon seit unserem so schönem Zusammensein beim Achilleus fest vorgenommen, mir Deine späteren, mir leider noch unbekannten Sachen, genau anzusehen, und es sollten noch in diesem Monat Schritte geschehen, um sie zur Ansicht zu erhalten. –Für die Zwecke unserer Gesellschaft kommen nur Instrumental-Sachen in Betracht; einen Chor dirigire ich hier nicht, stehe aber der großen und vortrefflichen Sing-Akademie meines Freundes Schäffer sehr nahe und könnte ihn vielleicht auf Deine Vocal-Compositionen hinweisen. Den Gesang an die Sterne, ein sehr duftiges und poetisch empfundenes Stück, besitze ich längst. - Schäffer hat sich zwar früher einmal mit Spitta wegen der Händel-Clavier-Auszüge etc. öffentlich gekabbelt, und ist auch vor ein paar Jahren einmal hier, in meiner Gegenwart, mit Joachim wegen Chrysander’s an einander geraten; mit Dir hat er aber, so viel ich weiß, nie etwas gehabt, und so hoffe ich bei ihm eine reine Theilnahme Deiner Gesangsachen zu finden.Im Uebrigen leben wir in einer tollen Zeit, und die Stellung an der Spitze einer großen Orchester-Gesellschaft in einer Stadt von immerhin 300.000 Einwohnern ist nicht immer ganz leicht. Man ist genöthigt, Manches zu bringen, was Einem sehr wenig oder gar nicht zusagt und kann Manches nicht durchsetzen, was man gerne durchsetzen möchte. Mendelssohn schreibt kurz vor seinem Tode in einem seiner Briefe: „Die Philister hätten wir ja jetzt glücklich überwunden; ob uns aber nicht auch von der anderen Seite viel größere Gefahren drohen?“ – Wie hat sich das prophetische Wort bewährt! Es ist eine neue Generation herangewachsen, deren Ansichten grundverschieden von den unsrigen sind; an die Stelle des Denkens ist das Phrasenmachen getreten, und eine mächtige, von ganz falschen Kunst-Anschauungen beherrschte Presse predigt täglich den Unsinn von den Dächern. Ich habe manchmal das Gefühl, daß wir nicht der Barbarei entgegen treiben, sondern schon mitten drin stecken.Das Gute ist zwar auch da, und wirkt überall im Stillen fort, aber wie soll es bei dem jetzigen Press-Terrorismus wachsen und gedeihen!- Von Deiner Expedition nach Portugal habe ich mit großer Theilnahme gehört. Das war eine hübsche, ehrenvolle, und wohl auch einträgliche Reise! Ist es wahr, was Tante Leo mir gelegentlich sagte, daß Du 8000 M dafür bekommen hast? Ein solches Commissorium möchte ich auch mir einmal wünschen! Die letzte Reise dieser Art machte ich Decbr. 1883 nach Moskau, wo ich für 2 Concerte 1000 Rubel (circa 2500 M.) und freie Reise etc. bekam. – Mit dem jedenfalls internationalen Orchester hast Du wohl französisch sprechen müssen? - Daß Deine gute alte Mutter so lange erhalten bleibt ist mir ein großes Glück. Ich freue mich, daß sie jetzt ganz bei Euch wohnen kann. Ich denke, Du hast jetzt 3 Kinder? Auch bei mir ist jetzt das Trio complett, ein blondes Mädel von 5 Jahren und zwei Knaben! Das ist auch genug – diese 3 werden schon genug Sorgen machen! – Mit herzlichen Grüssen an Dich und Deine Frau und Mutter Immer Dein alter Freund Max Bruch. Grüße Tante Leo. P.S. Ich hoffe, Scheidemantel ist sicher ?! Er hat den Hamburgern 3 Tage vor der Achilleus-Auff. abgesagt und bekommt jetzt in Dresden nicht so leicht Urlaub wie früher in Weimar. Man muß sich also mit ihm vorsehen! Ich schrieb hierüber an Tante Leo, habe aber nichts mehr über die Sache. – D. Ob.

Bemerkung: Max Bruch

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz

DE-611-HS-4307145, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4307145

Erfassung: 4. Dezember 2025 ; Modifikation: 4. Dezember 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-12-04T12:58:52+01:00