Detailed Information

Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut KölnMax-Bruch-ArchivSignatur: Br. Korr. 154, 154

Functions

Brief von Max Bruch an Ernst RudorffMusikwissenschaftliches Institut Köln ; Max-Bruch-Archiv

Signatur: Br. Korr. 154, 154


Bruch, Max (1838-1920) [Verfasser],Rudorff, Ernst (1840-1916) [Adressat]

Friedenau, 02.12.1904. - 12 Seiten, Deutsch. - Brief

Inhaltsangabe: Transkription: Friedenau, 2/12 04. M. L. Als ich Mittwoch Morgen gegen 11 Uhr Joachim bei Blankenberg traf, war er außerordentlich milde gegen v. E. gestimmt, las uns dessen Brief vor (der auch einen directen Ausfall gegen Dich und mich enthielt) und schien ganz geneigt, die Sache im Sande verlaufen zu lassen – ganz wie ich erwartet hatte. Als ich ihm aber dann, nachdem Ihr fortgegangen wart, um 1 Uhr die schriftliche Erklärung des E. Vogel zeigte, und ihm sagte, V. habe vor uns Beiden mit Bestimmtheit geäußert, er sei bereit, diese Erklärung zu beschwören, - da war Joach. doch sehr betreten. Ich übergab ihm das Blatt, mit der Bitte es sorgfältig aufzubewahren, und schickte ihm späte auch die betreff. M[anus]scr[i]pte des Vogel hinüber. Zu Joachims völliger Orientierung habe ich auch, an demselben Tage, die Compos. des Joh. Conze eingefordert, d.h. 1) die schauderhafte „Sinfonische Dichtung“ Sappho, und 2) ein gräuelvolle Str. Quartett, dessen erste Seite schon so ist, daß ich sie kaum überlebt habe. Diese Machwerke, die ich bald nach m. Rückkehr aus Italien kennen lernte, zeigte mir z. I. M. Herrn v. E. im wahren Licht. Ich dachte eben jetzt die Sache bei Joach. zur Sprache zu bringen, als der Fall Vogel noch dazu kam. – Joach. verreist morgen und kehrt erst am 15. Debr. Zurück. Um ihn in seinen letzten Empfindungen zu bestärken und ihn nochmals die große principielle Bedeutung der Sache klar zu machen, habe ich ihm heute nochmals geschrieben, alles zusammengefaßt, und ein Blatt beigelegt, worauf ich einige der allerschlimmsten Stellen in der (von Herrn v. E. sehr belobten Sinf. Dichtung Sappho notiert hatte. Ich habe ihm dann sehr ernsthaft erklärt: „Wenn ich alles resümire, so könne ich es nicht vor meinem Gewissen verantworten, diesen Zustand noch länger andauern zu lassen – einen Zustand, der sich nicht vertrage mit den Traditionen, der Stellung und der Schule.“ D. h., ich bin entschlossen, v. Eyken alle seine Kompositionsschüler (nicht allein E. Vogel und Conze) wegzunehmen, und dieselben zu andern Lehrern zu versetzen. An den Empfindungen des Herrn v. E., angesichts eines so schlimmen Mißtrauensvotums, liegt mir sehr wenig / Joachim sagte, „er sei so empfindlich“ !! / – aber sehr viel liegt mir daran, daß an unserer Schule das Rechte geschähe und schlechte Tendenzen beseitigt werden; - es muß wenigstens eine Stätte in Deutschland bleiben, wo inmitten aller entsetzlichen Verwirrung und alles Wahnwitzes unserer Zeit die Kunst in ihrer Reinheit gelehrt wird – eine Stätte, wo man sich „nicht beugt vor Baal“. Den Theorie-Unterricht kann v. E. behalten, wenn er überhaupt an der Schule bleibt. Geht er, so werden wir schon Ersatz finden. Da Joach., bei seiner Beschaffenheit, sicherlich noch mehrere Rückfälle haben wird, so wird es für mich nicht leicht sein, diesen Kampf siegreich durchzuführen. Ich bin aber überzeugt, daß Du mir treu zur Seite stehen, und Joach. gegenüber auch Deinerseits die principielle Wichtigkeit der Sache betonen wirst. Dann habe ich mehr Aussicht durchzudringen. – Da gleich jetzt irgend etwas geschehen mußte, so habe ich den Edg. Vogel heute vom Unterricht bei van Eyken „dispensirt“, und ihm gleichfalls eröffnet (schriftlich), daß ich mir vorbehalte, ihn zu einem anderen Kompos.-Lehrer zu versetzen. Er soll nur nicht sagen können: „Ihr mich an einer Hochschule einem Lehrer übergeben, der mich notorisch irregeführt hat, und den Ihr selbst alsdann scharf getadelt habt. Man hat mir nachgewiesen, was alles unter so schlechter Leitung verfehlt habe; wer sagt mir aber im Einzelnen, wie ich es besser machen soll?!“ – Aber augenbl. sieht es in m. Abth. böse aus: v. Eyken ist krank, R. Kahn ist bei einem todkranken Bruder in Straßburg, bittet mich um Urlaub bis Weihnachten, und wünscht sich, daß sich seine Schüler unter die andern Kollegen vertheilen. Der alte Härtel ist, trotz seiner Selbsttäuschung, recht klapperig, und kann am Allerwenigsten Extra-Schüler übernehmen; bleiben also nur Wolf und Fritz Schulz, die auch schon belastet sind. Juon käme uns jetzt sehr zu Statten. Herzlichst Dein tr. M. Bruch.

Bemerkung: Max Bruch

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Max-Bruch-Archiv / Korrespondenz

DE-611-HS-4303602, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-4303602

Erfassung: 17. November 2025 ; Modifikation: 17. November 2025 ; Synchronisierungsdatum: 2025-11-17T15:05:34+01:00