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Manuscripte zur venezianischen Geschichte: Verfassung, Staatsinquisition und ihre Statuten, Wiener kritische Abhandlung zu Daru (Werk-MS-Fragmente 1827/31 aus Wien und Venedig)Staatsbibliothek zu Berlin. HandschriftenabteilungNachlaß Leopold von Ranke

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Manuscripte zur venezianischen Geschichte: Verfassung, Staatsinquisition und ihre Statuten, Wiener kritische Abhandlung zu Daru (Werk-MS-Fragmente 1827/31 aus Wien und Venedig)Staatsbibliothek zu Berlin. Handschriftenabteilung ; Nachlaß Leopold von Ranke


Wien, Venedig, 1827-1831 [1878]. - 2 Lagen mit zusammen 43Bl, teils diverse Zählungen; (Papp-)Mappe)., Deutsch Italienisch Französisch

Inhaltsangabe: Die hier wieder zusammengebrachten Bl. zeigen Werk-MS-Fragmente zunächst zum so nie erschienenen Artikel "Über die venezianische Staatsinquisition" für die Wiener Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik (vgl. u.a. BW S.151), den Ranke folgend in Venedig offenbar zu einer Schrift über die "venezianischen Verfassung" überhaupt erweitern wollte, überschrieben mit "Flüchtiger Entwurf zu einer Einleitung"(Bl.30) - beide MS zeigen Überarbeitungs-Spuren, besonders Bl.30-43 aus der Arbeit an SW 42 (1878) auch von fremder Hand. Entsprechend der Herkunft aus Wien und Venedig ergeben sich 2 Lagen:Lage 1, Bl.1-29, Wiener Werk-MS von 1827: Dabei entsprechen Bl.10-20 weitgehend wörtlich den Passagen in SW 42 S.114f. "Analecten zu der Abhandlung über die Staatsinquisition"(Kritik an Daru, von 1827), wobei das einleitende Bl.9 (Vorbemerkung S.114/SW 42) in der Schrift Georg Winters 1877/78 auf Bl.10 aufgeklebt wurde.Vorgelegt und ganz unbekannt sind hingegen Bl.1-8: Sie zeigen Rankes ursprüngliche, so nie publizierte Wiener Einleitung 1827 - Bl.3' zeigt Rankes Disposition, Bl.1 beginnt einleitend: "Es ist wohl wahr, daß es uns, so oft wir etwas lernen und uns geistig zu eigen machen wollen, um ein encyclopädisches Umfassen des Gegenstandes zu thun seyn muß. Sobald man jedoch tiefer eindringen will, so ist dieß nicht die einzige, vielleicht nicht einmal die wichtigste Vorbereitung. Vielmehr stellen sich uns alsdann gewiße Hauptmomente dar, welche ergründet, gewiße vornehmliche Schwierigkeiten, welche überwunden seyn wollen (..). Ohne über sie im Reinen zu seyn, bleiben wir von Anfang bis zu Ende unsicher. Ich finde, daß in der venezianischen Geschichte die Entwickelung der Staatsinquisition einen solchen Hauptpunct bildet (..) Auch der (..) Geschichtschreiber, Graf Daru, knüpft an seine Beschreibung der (..) Verfassung [Venedigs], eine Erörterung über die Staatsinquisition mit den Worten an, es sey endlich nothwendig, die Seele des Staates und die innerlich wirksamen Prinzipien kennen zu lernen."(Bl.1; weiter Bl.1' mittig:) "Die Ordnungen der Menschen müssen zuweilen betrachtet werden wie die Dinge der Natur. (..) Zu den merkwürdigsten Erzeugnissen beydes der menschlichen Natur und der Weltverhältnisse gehört unstreitig die aristokratische Republik. Selbst wenn wir sie (..) bloß mit der Aufmerksamkeit betrachten, die ein Naturforscher etwa den Crystallisationen widmet, so ist es allemal wichtig ihre inneren Bewegungen und Getriebe kennen zu lernen. Gar bald nehmen wir dann zwey mit einander streitende Prinzipien wahr, von denen das eine [weiter Bl.2 oben bis nahezu Bl.2 unten:] Gemeinschaft, Einheit, Staat und Herrschaft zum Ziel hat, das andere an der gleichen Berechtigung aller Theilnehmenden festhält. Das letztere ist gewöhnlich so stark oder stärker, als das erste, und nirgendt finden wir demokratische Principien lebhafter ausgesprochen, als in den Aristokratien selbst. (..) Wie gelingt es alsdann, in der Menge eines gleichberechtigten Adels Zusammenhalt, Unterordnung, Thatkraft, zu behaupten? Häufig ist die Entwickelung, daß zuerst das demokratische Element überwiegt, und ein natürliches Oberhaupt, wie die Könige von Sparta, oder der Doge von Venedig waren, zu einer Art von Nullität herabbringt. Kaum aber ist dies geschehen, so macht sich das Prinzip der Einheit (..) geltend und in der Regel werden wir ein Institut hervorgehen sehen wie das Ephorat der Spartaner. Doch sieht man nicht, daß das Emporkommen der liberalen Theorien in Europa mit der Polizey zusammenhängt und sich bedingt? (..) In der Betrachtung eines solchen Kampfes zwischen den Elementen einer Gesellschaft tritt die Erscheinung der Staatsinquisition von Venedig sehr bedeutend hervor." Ob sich hier bereits Rankes eben beginnender Austausch mit Gentz reflektiert? Weiter Bl.2' oben "(..) Auf dieß Interesse des Gegenstandes rechne ich vornehmlich, wenn ich hoffe, daß mich der Leser in die etwas verwickelte Untersuchung, die ich vor seinen Augen unternehmen will, begleiten werde." (vgl. Bl.10; eine ähnlich direkte Anrede an den "Leser" über die "verwickelte Untersuchung" findet sich im Eingang zu Kap.4 "Staatsinquisitoren" in SW 42 S.87 wieder).Lage 2, Bl.30-43, Werk-MS aus Venedig 1828f.: Offenbar waren es auch neue Quellenfunde bzw. Aquisitionen, welche Ranke in Venedig einen weiteren Versuch unternehmen liess, so basieren Bl.32'f. zu Teilen auf den "Annali veneti d'all anno 1457 al 1500 di Domenico Malipiero ordinati e compendiati da Francesco Longo", welche Ranke in Venedig erwarb. Auch die Einleitung wird erneuert - dem venezianischen MS liegt mit Bl.30-31 ein "Flüchtiger Entwurf zur Einleitung" obenauf, beginnend: "Noch vor wenigen Jahren wohnte im Lago Santo bey Comacchio eine kleine Gemeine von 200 Menschen" (folgend auch der Hinweis auf Cassiodor, demzufolge die Venezianer ihre Häuser wie Wasservögel aus Weidengeflecht und Lehm bauen - alles ebenso gedruckt in SW 42 Teil 1 (Einleitung S.3f.); Bl.32 folgt zunächst unter dem Titel "Verfassung" eine erneuerte (später durchgestrichene) Disposition: "Einleitung 3 Abschnitte. 1. Alte Zeit (..) 2. Ausbreitung in den Orient (..) 3. Bleibende Eroberungen. Bildung des Staates [am Rand] Gestalt der Verfassung (..)", dazu Bl.31' unten "Gestalt der Verfssg. Idee des Staates. - Aufgabe: Entwickelung ohne Geräusch".Bl.32 mittig beginnt das MS "Ich finde sehr merkwürdig, daß nicht alle Venezianer, selbst nicht alle aus den vornehmsten Geschlechtern mit der erblichen Aristokratie zu frieden waren. Um das Jahr 1490 verfaßte ein alter Venezianer (..) Domenico Morosini, ein Buch von der Republik (..) um eine vollkommene Republik zu schildern" - hier und im Folgenden nahezu wortgleich mit SW 42 Teil 1 (Kapitel 2 "Über die venezianische Verfassung, besonders den Rath der Zehn", S.31-61, hier S.35f.), endend Bl.43' mit "Man könnte [die venezianische Verfassung] mit der Construction der St. Marcuskirche vergleichen. Fünf Kuppeln nebeneinander, aus jeder kommt Licht; doch eine ist höher und größer: Sie gibt das Meiste [Licht] und bildet die Mitte, und zeigt die Einheit." (vgl. SW 42 S.61).

Literaturhinweise: "Annali veneti d'all anno 1457 al 1500 di Domenico Malipiero ordinati e compendiati da Francesco Longo: parte terza, quarta e quinta" - heute als MS 75 in Rankes Bibliothek in Syracuse, vgl. Ed Muir, The Leopold von Ranke Manuscript Collection of Syracuse University, Syracuse 1983, S.77f.; vgl. in diesem Zusammenhang auch Muir MS 91, von Ranke betitelt "Legum Venetarum summa capita L.R. Venedig Weihnachtsabend 1828";, Pierre Daru: Historie de la Republique de Venise, Paris 1828 (Bibl.Syr.Ranke 945.3 D22).

Editionshinweise: Ranke: Zur Venezianischen Geschichte, SW 42(1878), darin: I. Venedig im sechszehnten Jahrhundert und im Anfang des siebzehnten (Einleitung (S.1f.), 1."Allgemeine Lage der Republik"(S.11f.), 2."Über die venezianische Verfassung, besonders den Rath der Zehn"(S.31f.), 3."Staatsveränderung 1582. Dogenwahl von 1585"(S.64f.), 4."Staatsinquisitoren"(S.87f.), Analecten zu der Abhandlung über die Staatsinquisitoren (S.114f., Kritik an Daru, Wien 1827); II. Die Verschwörung gegen Venedig im Jahre 1618 (S.135f.; vgl. dort die Bemerkungen zu Staatsinquisition/Staatsinquisitoren S.146/147/169/176/177 etc. und überhaupt zum "Venezianischen Archiv" S.176f.); III. Die Venezianer in Morea (S.279f.).

Bemerkung: Bemerkung zur Datierung: Bedeutende Teile des Wiener MS (hier Bl.10-20) finden sich wörtlich in SW 42 S.114f. "Analecten Zu der Abhandlung über die Staatsinquisition", welche Ranke hier ausdrücklich als in Wien 1827 verfassten Aufsatz vorstellt (vgl. BW S.151, Ranke an Varnhagen, Wien 8.April 1828: "Den hiesigen Jahrbüchern hatte ich eine Abhandlung über die venezianische Staatsinquisition versprochen, und schon im November (..) ausgearbeitet"; vgl. hierzu auch Helmolt: Rankes Leben und Wirken, Leipzig 1921, S.175). Der Bl.30-43 folgende venezianische Entwurf wurde im Anschluss an das Wiener MS niedergeschrieben - also grob zwischen 1828 (vgl. BW S.159) und 1831. Beide - das Wiener und besonders das Venezianische MS - zeigen Spuren der Überarbeitung von Amaneunsen-Hand für SW 42(1878; u.a. Bl.9 Georg Winter).Lage 1 (Wiener MS, Bl.1 - 29): In Ehren ergrautes, angestaubtes Wiener Bütten - Bl.1-8 etwas feiner (20,7x25,7cm), Bl.10-29 gröber, Bl.9 beige Masch.Pap.Aufklebung aus der Arbeit an den SW 42 (1878); Lage 2 (MS Venedig Bl.30-43): elfenbeinfarbenes ital.Bütten (19,4x25,1cm), angestaubt; der (Papp-)Mappe (24,5x32,5cm) wurde bei Katalogisierung unter Joachimsen ein Papierstreifen angeklebt mit "Fasc.6 L.9", größerer Bleistift-Titel "Venedig".

Ausreifungsgrad: Wiener und folgend venezianische Werk-MS-Fragmente (Überarbeitungsspuren späterer Zeit).Wasserzeichen: WZ Lage 1 (Wiener MS, Bl.1 - 29): Bl.1-8 Posthorn in Kartusche, "FS"; Bl.10-29 Anker-Motiv, "Nr.5", "St.Pölten"; WZ Lage 2 (MS Venedig Bl.30-43): Venez.Löwe, "AS".

Objekteigenschaften: Handschrift

Pfad: Nachlaß Leopold von Ranke / Segment II: Italienische Geschichten / Venedig

DE-611-HS-3592256, http://kalliope-verbund.info/DE-611-HS-3592256

Erfassung: 19. Mai 2020 ; Modifikation: 2. Juni 2021 ; Synchronisierungsdatum: 2025-09-19T15:38:36+01:00